Anonymisierte Bewerbungsverfahren als Massnahme gegen Diskriminierung im Arbeitsmarkt

21.3869 Interpellation

Anonymisierte Bewerbungsverfahren als Massnahme gegen Diskriminierung im Arbeitsmarkt

Mit Verweis auf den Usus von teilanonymisierten Bewerbungsverfahren in gewissen anderen Staaten möchte die sozialdemokratische Partei der Schweiz vom Bundesrat wissen, welche Möglichkeiten und Vorteile er bezüglich der Ausschaltung von Diskriminierungen beim ersten Schritt des Bewerbungsprozesses sehe, welcher Gesetzesänderungen die Einführung einer entsprechenden Verpflichtung bedürfte und ob er bereit wäre, ein Projekt zwecks Sammlung von Erfahrungen in der Teilanonymisierung von Bewerbungen zu lancieren?    

Bei einer anonymen Bewerbung konzentriert sich der Inhalt auf Berufserfahrungen, Kenntnisse sowie Fähigkeiten und daher lassen sich keine Rückschlüsse auf die Person des Bewerbers ziehen. Diese Sonderform der Bewerbung zielt darauf ab, Diskriminierungen (z.B. durch subjektive Entscheidungen oder Vorurteile) zu verhindern und Chancengleichheit herzustellen. Nebst der herkömmlichen Form des Bewerbungsdossiers sind heute standardisierte (Online-)Formulare üblich, welche in einem ersten Schritt von einer neutralen Stelle geprüft werden. Wenn die Angaben die gewünschten Jobkriterien erfüllen und im Vergleich mit den anderen Kandidaturen überzeugen, wird der Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Ab dem persönlichen Gespräch kommen allerdings wieder subjektive Entscheidungen ins Spiel, welche den Bewerbungsprozess beeinflussen können und spätestens im Hinblick auf die Einstellung verlangt der Arbeitgeber schliesslich personenbezogene Daten, welche weitere Eindrücke evozieren.

Bei allem guten Willen stellt sich die Frage, wie sinnvoll und praktikabel das anonymisierte Bewerbungsverfahren in der Berufswelt ist? Bringt dieses System einen echten Nutzen oder lediglich einen Aufwand, welcher im Endeffekt eine unnötige Belastung für die Unternehmen darstellt?

Auch wenn Diskriminierungen statistisch gesehen hauptsächlich in der ersten Bewerbungsphase stattfinden, so erscheint die Behandlung der Problematik mittels anonymisierter Bewerbungsverfahren dennoch nicht als zielführend – das Problem wird höchstens verlagert, sei es auf den Zeitpunkt des persönlichen Gesprächs, der Einstellung oder schliesslich auf die Probezeit. Zudem bringt dieses System diverse Nachteile mit sich: Die Benachteiligung von Berufseinsteigern erschwert motivierten Arbeitssuchenden die Eingliederung in die Arbeitswelt. Bei der Rekrutierung von Führungspersonen spielen individuelle Informationen und persönliche Aspekte von vornherein eine unabdingliche Rolle; ähnlich gelagert ist die Situation in kreativen und wissenschaftlichen Berufsdomänen. Angesichts der Tatsache, dass reine Leistungsnachweise bezüglich der Eignung nicht vollends aussagekräftig sind, nehmen in der heutigen Arbeitswelt zudem die sogenannten Soft-Skills einen massgebenden Stellenwert ein und über deren Vorhandensein kann durchaus bereits das Kandidatendossier Aufschluss geben. Auch funktioniert das anonymisierte Bewerbungsverfahren nur, wenn eine Vielzahl an Kandidaturen resp. Formularen zum Vergleich vorliegen – bei Stellen mit einer begrenzten Anzahl von Bewerbungen gestaltet sich somit bereits das Auswahlverfahren als schwierig. Schliesslich gilt es zu erwähnen, dass ein Obligatorium zur Stellenausschreibung mit anonymisiertem Bewerbungsverfahren die Vertragsfreiheit tangieren würde, welche sich grundsätzlich nicht nur auf den Vertragsinhalt als solchen, sondern im weiteren Sinne auch auf die vorvertragliche Phase erstreckt.

Der Vorstoss, das anonymisierte Bewerbungsverfahren verpflichtend zu etablieren, erscheint daher als wenig sinnvoll, da es die Grundproblematik nicht löst, sondern höchstens verlagert und zudem nebst Tangierung der rechtlichen Gegebenheiten auch kaum auf die hiesigen Bedürfnisse zugeschnitten ist.

Einführung einer obligatorischen Taggeldversicherung bei Erwerbsausfall durch Krankheit oder Unfall für alle Erwerbstätigen

Inhalt des Vorstoßes (21.3716 Motion) der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP) ist der Ausbau der heutigen Gesetzeslage in Richtung Einführung einer obligatorischen Taggeldversicherung für Verdienstausfall bei Krankheit oder Unfall für alle Erwerbstätigen und Selbstständigen. Nach Meinung der SP müssten gleichzeitig Solidarität, Transparenz und die soziale Ausrichtung der Taggeldversicherung gestärkt werden.

Die Krankentaggeldversicherung ist dafür vorgesehen, den Lohn- und Gehaltsausfall infolge Arbeitsunfähigkeit zu ersetzen. Mit Ausnahme vom Obligatorium der Unfallversicherung für Arbeitnehmer, handelt es sich um eine freiwillige Versicherung. Viele Arbeitnehmer sind bereits über die Versicherung ihres Arbeitgebers abgesichert. Teils sprechen sich branchenspezifische GAV über Fragen der Krankentaggeldversicherung aus. Für gewisse Arbeitsgruppen – wie namentlich Selbständigerwerbende oder Studierende – besteht grundsätzlich keine Möglichkeit, einer Kollektiv-Krankentaggeldversicherung beizutreten. Diesen Personen, wie auch den nicht über ihren Arbeitgeber versicherten Arbeitnehmern, steht es frei, bei einer privaten Krankentaggeldversicherung Schutz zu erhalten. Dasselbe gilt für die Versicherung des Unfallrisikos für selbständig Erwerbende.

Basierend auf dem heutigen System der weitgehend freiwilligen Taggeldversicherung bestehen genügend Möglichkeiten in Bezug auf die Absicherung der Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit oder Unfall. Die geltende Gesetzeslage respektiert einerseits die Vertragfreiheit, welche im Arbeitsvertrag wie auch auf Stufe GAV eine fundamentale Rolle einnimmt, und berücksichtigt zudem das Unternehmerrisiko, welches beim Entscheid bezüglich des Versicherungsumfangs im Einzelfall von substanzieller Bedeutung ist. Die Freiheit, in Nutzung der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten risikobasiert adäquat zu entscheiden, bestärkt zudem die Eigenverantwortung des Einzelnen. Alle erwerbstätigen Personen einer obligatorischen Taggeldversicherung zu unterstellen würde nahezu an Bevormundung grenzen.

Ein Obligatorium ist daher aus ordnungspolitischer Sicht abzulehnen.

Zur Frage der Einführung von risikounabhängigen Prämiensätzen gilt es festzuhalten, dass vordergründig zwar die Stärkung der Solidarität als Argument vorgebracht wird, sich hintergründig jedoch Gleichmacherei als Stossrichtung abzeichnet, welche eine erhebliche Regulierungswelle nach sich ziehen würde – analog zum KVG, beispielsweise in Bezug auf den Risikoausgleich («Jagd nach guten Risiken»).

Abzulehnen sind somit auch die Vorbringen bezüglich Einführung risikounabhängiger Prämiensätze.

Transparenzen

Der Vorstand musste sich an der letzten Sitzung mit dem Thema Transparenzen befassen. Hersteller wünschen von den Händlern oftmals Angaben, in welchem Gebiet welche Produkte verkauft werden, um die eigenen Aussendienstmitarbeiter koordinieren zu können. Dies ist grundsätzlich zulässig und kann von den Parteien entsprechend vereinbart werden – mit oder ohne Entschädigung.

Der Vorstand hat jedoch grosse Vorbehalte punkto Datenschutz, namentlich aufgrund der Datenschutz-Grundverordnung, wenn Rückschlüsse auf einzelne Zahnärzte möglich sind. Dies kann dann der Fall sein, wenn alle vier Ziffern, je nach dem bereits bei drei Ziffern der Postleitzahl angegeben werden. Der Vorstand empfiehlt deshalb, solche Vereinbarungen abzulehnen.

Schutzkonzept SSO/VKZS gültig ab 29. September 2020

Die Vereinigung der Kantonszahnärztinnen und Kantonszahnärzte der Schweiz (VKZS) hat in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft (SSO) das Positionspapier mit Vorgaben zum Praxisbetrieb aktualisiert. Die neue Version gilt seit dem 29. September 2020.

Die SSO und VKZS fassen in dem Schutzkonzept alle für Praxen notwendigen Informationen zum Coronavirus, der aktuellen Situation und daraus resultierende Handlungsanweisungen zusammen. Besonderes Augenmerk wird auf praxisspezifische Hygienekonzepte gelegt.

Da die Vorgaben auch für den Dentalhandel sehr wichtigen sind, finden Sie hier neuste Version des Positionspapiers.

Home-Office entschädigungspflichtig?

In der Sonntagspresse (https://www.derbund.ch/bundesgericht-verknurrt-arbeitgeber-zu-homeoffice-entschaedigung-287707410182 https://www.nzz.ch/schweiz/arbeitgeber-muessen-einen-teil-der-wohnungsmiete-uebernehmen-wenn-sie-ihre-mitarbeiter-ins-home-office-schicken-ld.1557921 ) war zu lesen, dass das Bundesgericht (4A_533/2018) bereits vor einem Jahr entschieden hat, dass das Bereitstellen eines Arbeitsplatzes im Home-Office sei entschädigungspflichtig. Im konkreten Fall wurde der (ehemalige) Arbeitgeber verpflichtet, rückwirkend CHF 150.00 pro Monat als Entschädigung zu bezahlen. Im Hinblick auf die Empfehlungen des Bundes im Zusammenhang mit dem Coronavirus lohnt sich eine sorgfältige Analyse des Entscheids.

Das Gesetz sieht in Art. 327 und 327a OR vor, wie Auslagen zu vergüten sind. Art. 327 OR regelt, wie Arbeitsgeräte, die vom Arbeitnehmer selbst zur Verfügung gestellt werden: Eine Entschädigung ist geschuldet, sofern nichts anderes vereinbart ist. Das heisst, eine Entschädigungspflicht kann vertraglich wegbedungen werden. Art. 327a OR bestimmt, dass Auslagen, die bei Arbeit an auswärtigen Arbeitsorten anfallen, entschädigt werden müssen. Diese Bestimmung ist teilzwingend, das heisst, es darf nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden.

Die frühere Rechtsprechung besagte, dass ein auswärtiger Arbeitsort dann vorliegt, wenn die Arbeitsleistung weder am Ort der Betriebsstätte noch am Wohnort des Arbeitnehmers erfolgt (ZH JAR 1983, S. 154; TI SAE 1991, S. 16 ff.). Die Entscheide stammen aber beide aus der Zeit, in der Home-Office noch kaum ein Thema war. Das Bundesgericht stellte im oben erwähnten Entscheid auf jeden Fall nicht auf diese Definition ab, sondern hielt fest, dass bei Home-Office grundsätzlich die Bestimmungen von Art. 327a OR Anwendung finden.

Die Lehre differenziert indes die Anwendung von Art. 327a OR weiter: Sie macht den Unterschied, ob das Home-Office im Interesse des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers genutzt wird. Eine Entschädigungspflicht wird nur dann gefordert, wenn das Home-Office (zumindest teilweise) im Interesse des Arbeitgebers genutzt wird. Das Bundesgericht hat diese Frage nicht differenziert gestellt, da im vorliegenden Fall das Interesse ganz klar auf Seiten des Arbeitgebers gelegen ist: Er hat dem Arbeitnehmer gar keinen Arbeitsplatz angeboten, bzw. anbieten können: „Unbestritten ist aber, dass dem Beschwerdegegner kein geeigneter Arbeitsplatz bei der Beschwerdeführerin zur Verfügung stand (vgl. hiervor E. 6.1). In der Lehre wurde für diesen Fall zu Recht argumentiert, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen bzw. keinen geeigneten Arbeitsplatz anbiete, so sei die Arbeitsinfrastruktur zu Hause für die Berufsausübung jedenfalls notwendig und nach Art. 327a OR erstattungspflichtig.“ (BGE 4A_533/2018, E.6.2). In dem Fall ist es sachgerecht, dass eine Entschädigung erfolgt, die neben Energiekosten, Telefongebühren etc. auch die Raumkosten anteilsmässig vom Arbeitgeber getragen werden. Dies gilt auch dann, wenn keine zusätzlichen Aufwendungen vorliegen, weil beispielsweise kein zusätzliches Zimmer gemietet wird oder ein Flatrate-Abonnement für Telefon/Internet besteht.

Wird die Arbeit im Home-Office im Interesse des Arbeitnehmers geleistet (Bequemlichkeit, Familie), so liegt kein Fall von Art. 327a OR vor. Ein klares Indiz hierfür ist – im Umkehrschluss zum oben genannten Fall – dass ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Es gibt aber auch Mischformen: Wenn er Arbeitnehmer auf Weisung hin nach Arbeitsschluss oder am Wochenende Arbeiten zu erledigen hat, so kommt es häufig vor, dass dies zuhause geschieht. Der Arbeitgeber profitiert von der Möglichkeit, dass sein Arbeitnehmer dezentral und flexibel tätig ist. Deshalb müsste hier eine anteilsmässige Kostenübernahme erfolgen, wobei die Lehre nur für Energie und Telekommunikation eine Pflicht verlangt, nicht für einen Mietanteil (Pascal Domenig: Homeoffice-Arbeit als besondere Erscheinungsform im Einzelarbeitsverhältnis, Bern 2016, RZ 762).

Ob die Rechtsprechung nun auf die Empfehlung des Bundesrates, nach Möglichkeit Home-Office anzubieten, 1:1 angewendet werden kann, ist indes offen. Auch hier ist die Interessensabwägung vorzunehmen. Bei Arbeitnehmern aus der Risikogruppe sind die Vorschriften von Art. 10c der COVID-19 Verordnung 2 zu beachten. Hier ist der Arbeitgeber in der Pflicht, entsprechende Vorkehrungen zu treffen und Home-Office zu ermöglichen. Allerdings gibt es auch hier Einschränkungen: Geht es lediglich um den Arbeitsweg und sind am Arbeitsplatz die Schutzvorkehrungen getroffen, so ist zumindest teilweise ein Interesse des Arbeitnehmers vorliegend.  

Grundsätzlich wird empfohlen, beim Gewähren von Home-Office-Lösungen im grossen Stil, klare Reglemente zu erstellen und die Entschädigung dieser Auslagen klar zu definieren. Das bereits früher erwähnte Werk von Pascal Domenig hat hier gute Checklisten und Muster.

Coronavirus: Kurzarbeit und weitere Informationen

Informationen zur Kurzarbeit

Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Ausnahmesituation müssen zahlreiche Unternehmen zum Instrument der Kurzarbeit greifen, um vorübergehende Beschäftigungseinbrüche auszugleichen und die Arbeitsplätze zu erhalten. Neu werden Ansprüche auf Kurzarbeitsentschädigung ausgeweitet und die Beantragung vereinfacht: Hier erfahren Sie mehr.

Information betr. Erwerbsersatz-Entschädigung

Coronavirus: Bundesrat spricht 32 Milliarden Franken Unterstützung für KMU

Im Kampf gegen die Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie hat der Bundesrat am 20.03.2020 ein Massnahmenpaket von 32 Milliarden Franken geschnürt. Es enthält schnelle Liquiditätshilfen für die Wirtschaft und einen Zahlungsaufschub für Sozialversicherungsbeiträge. Ausserdem stellt der Bundesrat eine Entschädigung für Selbständige in Aussicht. Hier erfahren Sie mehr.